RTA und DARC veröffentlichen
Powerline-Diskussionspapier
Der "Runde Tisch Amateurfunk" (RTA) und der Deutsche Amateur-Radio-Club (DARC) haben ein Diskussionspapier zur Problematik von "Powerline Communication" (PLC) veröffentlicht.
PLC ist ist ein Verfahren, bei dem Daten mit Hilfe von HF-Trägern auf ungeschirmten Stromleitungen übertragen werden. Dadurch entstehen Störungen, die andere Funkanwendungen erheblich beeinträchtigen können.
Nachstehend der volle
Wortlaut des Diskussionspapiers:
PLC
An alle Funkamateure ( Stand: 03.10.2000)
RTA und DARC e.V. legen hiermit ein fortzuschreibendes Papier vor, welches über die Problematik von PLC informieren will und für die Funkamateure als Grundlage für ihre Öffentlichkeitsarbeit und Teilnahme an Diskussionen dienen soll. Es ist auf der Grundlage des derzeitigen Wissenstandes erarbeitet worden.
Das Papier entstand unter Beteiligung bzw. Mitwirkung von DF7VX, DJ6AN, DJ1ZB, Frau Volmer, DL2CH, DJ8CY, DF5DP, DF4JI, DL9MH und DF9IC sowie der Mitgliedervereinigungen des RTA.
PLC - nicht empfehlenswert
1. PLC - das Verfahren
PLC (PLT) heißt Power Line (Tele) Communication und soll die Übertragung von Telefongesprächen und hohen Datenraten aus dem Internet über die bereits installierten elektrischen 230 V (50 Hz) Stromversorgungsnetze in die Haushalte ermöglichen, ebenso Daten-, Audio- und Videoübertragungen von Steckdose zu Steckdose innerhalb eines Hauses oder einer Wohnung (Hausautomatisierung, Domotik). Die Datenübertragung erfolgt breitbandig auf Funkfrequenzen bis 30 MHz. Die ursprünglich für Funkübertragungen auf Frequenzen bis 30 MHz nicht vorgesehenen Kabel der Stromversorgungsunternehmen werden dadurch zu Antennen, die diese Frequenzen in den Äther strahlen. Die Betreiber von PLC sind (werden künftig) gehalten, bestimmte Abstrahlungsgrenzwerte nicht zu überschreiten. Rechtliche Grundlage ist die noch nicht in Kraft befindliche Nutzungsbestimmung 30 (NB 30) des Frequenzbereichszuweisungsplanes. Die meisten PLC-Verfahren werden mit dieser Forderung Schwierigkeiten haben und die Grenzwerte doch überschreiten.
Ergänzend seien in diesem Zusammenhang hinzugefügt, daß bisherige Anwendungen, wie Babyphone oder Hausautomatisierung (Domotik) wie z.B. im Bereich Rolladen- oder Heizungssteuerungen zwar begrifflich auch unter PLC falllen, weil hier ebenfalls die Stromversorgungsleitungen benutzt werden. Jedoch werden hierbei sehr niedrige Frequenzen, also keine Hochfrequenz benutzt, so daß diese Anwendungen ohne die weiter unten beschriebenen Folgen bleiben und sich daher besonders für die Domotik eignen.
2. PLC stört den Kurzwellenfunkbetrieb
Die von PLC benutzten Kurzwellenfrequenzen sind bereits weltweit an unzählige Funkdienste wie Radiosender, Flugfunk, Schiffsfunk, feste und andere mobile Funkdienste, Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Radioastronomie usw. und nicht zuletzt auch an den Amateurfunkdienst vergeben. Auch wenn die vorgesehenen Abstrahlungsgrenzwerte nach der NB 30 eingehalten werden, wird der Kurzwellenempfang wegen der unvermeidlichen Nähe der Stromversorgungsleitungen zu den Empfangsantennen erheblich gestört. Auch der Mittelwellenrundfunk und andere Frequenzen können gestört werden. Die Störungen können so weit gehen, daß einzelne Funkdienste in ihrer Existenz gefährdet werden. So z.B. der Kurzwellenempfang für Jedermann und der weltweite Amateurfunkdienst.
3. Der Kurzwellenfunkbetrieb stört PLC
Die stark verzweigte Anordnung des wie eine Antenne wirkenden Stromversorgungsnetzes führt nicht nur zu starker Abstrahlung von Störsignalen sondern umgekehrt durch den Empfang von Hochfrequenzsendern aller Art auch zu hohen Störpegeln in den Stromleitungen selbst. Ein Schutz von PLC gegen Störungen aller Art ist jedoch vom Verordnungsgeber nicht vorgesehen. Hohe Störpegel jedoch können die Datenübertragung drastisch verlangsamen oder sogar nahezu unterbinden, so daß die vertraglich vereinbarte Datenrate vom Anbieter nicht gewährleistet werden kann. Wie groß die Robustheit eines PLC-Systems letzten Endes gegen Störungen ist, hängt von dem bei der Technik getriebenen Aufwand ab. Eine hohe Robustheit ist nur durch einen entsprechenden Aufwand zu erzielen, der grundsätzlich zu Lasten der Nutzübertragungskapaziät (Datenübertragungsrate) geht.
4. PLC kann andere elektronische Geräte stören
Da die PLC-Signale über die 230V Leitungen des 50 Hz-Netzes alle am Netz betriebenen Geräte direkt erreichen, ist es durchaus wahrscheinlich, daß eine heute nicht abschätzbare Anzahl an elektronischen Geräten insbesondere der Unterhaltungselektronik und medizinische elektronische Geräte in Krankenhäusern und Arztpraxen in ihren Basisfunktionen ebenfalls beeinflußt werden können. Viele dieser Geräte enthalten keinen besonderen Schutz gegenüber den bisher im Netz nicht vorhandenen PLC-Signalen und können daher gestört werden. Dies kann in lebenswichtigen Bereichen wie Intensivstationen Menschenleben unmittelbar gefährden. Aus Sicherheitsgründen müssen dann teuere Einzelmaßnahmen zur Entstörung jedes einzelnen gestörten Gerätes erfolgen.
5. PLC arbeitet unzuverlässig
Wie aus einem Abschlußbericht zu PLC hervorgeht, der von der Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer der TU Dresden herausgegeben wurde, kann der PLC-Betrieb wegen der sogenannten "zeitabhängigen Impedanzinkonstanz" des 50 Hz-Netzes durch völlig unkontrollierbar zu- und abschaltende Verbraucher im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit unvorhersehbar negativ beeinflußt werden.
6. PLC ist heute bereits ein veraltetes System
Die elektronischen Apparate und Modulationsverfahren zur Realisierung von PLC nutzen zwar neueste Technik, um auf den seit jeher stark gestörten Stromleitungen überhaupt eine zuverlässige Datenübertragung zu gewährleisten. Gemessen an anderen technischen Alternativen genügt jedoch das PLC-System als Datenübertragungssystem mit seiner begrenzten Datenrate (um 2 MB/S) nicht einmal den Ansprüchen von heute, wie sie bereits von ADSL (Datenübertragung auf Telefonleitungen bis 8 MB/S) derzeit im Privatkundenbereich angeboten werden. Die Funkamateure betrachten Datenübertragungen über Fernsehkabel (Kabelmodems) grundsätzlich als eine heute zu empfehlende Alternative. Hierzu zählt auch ADSL, wenn durch die Verwendung entsprechend hochqualitativer Filter ausgeschlossen wird, dass die benachbarten Amateurfunkfrequenzen gestört werden können. Von diesen (noch vorläufigen) Bedenken der Funkamateure unberührt sind auf jeden Fall die zukünftigen Alternativen wie Glasfaserkabel, im Gigahertz-Bereich liegende Funksysteme zur Versorgung kleiner Zellen oder möglicherweise auch das kommende Mobilfunksystem UMTS.
7. PLC kann abgehört und gezielt gestört werden
Die PLC-Signale können wie alle Funkanwendungen von Jedermann innerhalb und auch außerhalb einer Wohnung oder eines Gebäudes abgehört und aufgezeichnet werden. Es ist daher davon auszugehen, daß die PLC-Betreiber auf jeden Fall Maßnahmen der Verschlüsselung bei PLC einsetzen werden. Der Schutz gegen das Abhören hängt davon ab, welcher Aufwand beim Verschlüsseln getrieben wird. Der "normale" Endverbraucher hat hierauf keinen Einfluß. Als Nichtfachmann kann er kaum abschätzen, welchen Risiken er ausgesetzt ist und wann er dagegen etwas tun muß. Da für ungebetene Mithörer oder Mitleser eine Hemmschwelle, nämlich das "Anzapfen" eines Drahtes wegfällt und das Potential, ohne diese Hemmschwelle zum Abhören von Daten zu gelangen, durch die hohe Zahl der projektierten Endverbraucher eine völlig neue Größenordnung erreicht, ist die Dimension des hohen zu erwartenden Datensicherheitsrisikos derzeit nicht abschätzbar. Da, wie dargelegt, Funkanwendungen gestört werden können, ist es nicht ausgeschlossen, daß ein bestimmtes Objekt von außen mit verhältnismäßig geringen Störstrahlungsleistungen gezielt und nachhaltig in seiner Funktion beeinträchtigt oder sogar lahm gelegt werden kann.
8. Störungen durch PLC verstoßen gegen die Informationsfreiheit
PLC kann den Rundfunkempfang unserer ausländischen Mitbürger, den Mittelwellen- und Kurzwellenrundfunk, andere Funkdienste und auch den internationalen Amateurfunkdienst existentiell stören. Dies verletzt den Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention (Grundrechte auf aktive und passive Informationsfreiheit), weil hier Informationen vorenthalten werden, die anderweitig nicht beschaffbar sind. Umgekehrt stehen praktisch alle Informationen bzw. Dienste, die via PLC angeboten werden sollen, auch anderweitig durch mindestens gleichwertige oder sogar bessere Techniken zur Verfügung.
9. PLC wirft völlig neue Rechtsfragen auf
Die Probleme der Übergabepunkte der Daten vom Elektrizitätsversorgungsunter-nehmen (Netzbetreiber) an den Endkunden an der Grundstücksgrenze oder an der Steckdose im Haus (und damit die technische und rechtliche Verantwortung für den PLC-Anschluß selbst und das, was von dem PLC-Anschluß ausgeht), das Verlangen eines Bürgers, daß er auf seinem Grundstück keine PLC-Daten duldet, die Einschränkung der Informationsfreiheit und die mangelnde Datensicherheit sowie Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung des Gesetzes über die Elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG) bei Störungen werfen bisher ungelöste Rechtsfragen auf und gefährden wenn nicht unmittelbar den sozialen Frieden, so doch das gut nachbarliche Miteinander.
10. PLC ist volkswirtschaftlich unrentabel
Gemessen an anderen Datenübertragungssystemen ist eine Investition in PLC eine Vergeudung volkswirtschaftlicher Ressourcen. In England ziehen sich nach einer ersten Euphorie die meisten potentiellen Anwender von PLC bereits wieder zurück. Gemessen an den voraussichtlichen Kosten von PLC sowie dem Preis/Leistungsverhältnis, werden aller Voraussicht nach die erst bei flächendeckender Einführung funktionierenden Marktmechanismen zu spät das bereits jetzt absehbare negative betriebswirtschaftliche Ergebnis bestätigen. Die geringe Reichweite von PLC macht einen Einsatz nur in Ballungsgebieten sinnvoll, wo sich eine Vielzahl von Anwendern die ohnehin nicht üppige Bandbreite teilen müssen.
11. Die Leistungsfähigkeit von PLC deckt bereits heute nicht den Bedarf an schneller Datenübertragung
Bei der vernetzten Arbeitsplatztechnik liegen die Übertragungsraten der Firmen-PCs schon heute bei 100 Mbit/s. Die einschlägige Industrie steht kurz vor der Fertigstellung einer Norm, die eine Geschwindigkeit von 10 Gbit/s vorsieht. In der Fachwelt gilt es als anerkannt, dass auch für die Datenübertragung zu den PC-Arbeitsplätzen das Gesetz nach Moore gilt, wonach bei Prozessoren alle 15 bis 18 Monate eine Verdopplung der Prozessorengeschwindigkeit zu erwarten ist. Diese technische Entwicklung wird vor dem PC des Privatanwenders nicht Halt machen. Daher ist jetzt schon offensichtlich, dass die derzeit projektierten Datenraten von PLC, die bei etwa 2 Mbit/s in Richtung Anbieter/Nutzer liegen, zum Zeitpunkt einer flächendeckenden Einführung nicht bedarfsgerecht sind. Aktionäre, die in diesem Bereich Aktien halten oder sich engagieren wollen, sollten diesen Umstand bei ihren Entscheidungen an der Börse berücksichtigen.
12. Bisherige Gegenaktivitäten
Die bisherigen Gegenaktivitäten der Betroffenen spiegeln sich im wesentlichen in den Stellungnahmen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zum Frequenzbereichszuweisungsplan der Regulierungsbe-hörde, insbesondere der Nutzungsbestimmung 30, NB 30, wider. Hervorzuheben sind die Stellungnahmen der Sicherheitskräfte, der Bundeswehr, der Rundfunkanstalten, von international renommierten Herstellern von Kurzwellenausrüstungen und von NF und HF-Meßgeräten, anderer Funkdienstbetreiber oder Anwender der Kurzwelle wie z.B. die Wissenschaft der Radio Astronomie.
13. Als existentiell betroffene Betreiber ihres Experimentalfunkdienstes wehren sich die Funkamateure besonders intensiv gegen PLC
Funkamateure sind als Betreiber eines Experimentalfunkdienstes mit besonders empfindlichen Empfangsgeräten besonders betroffen. Sie haben sich daher bei der öffentlichen Anhörung im BMWi entsprechend geäußert und wenden sich mit Vehemenz gegen PLC. Funkamateure haben Pilotprojekte beobachtet und die abgehörten Störsignale zum Abhören für Dritte bereitgestellt. Der DARC ist an einem Versuch der RWE informativ beteiligt. Funkamateure haben an Pressekonferenzen von künftigen PLC-Anbietern teilgenommen und dort mit ihren Fragen eine erhebliche Verunsicherung erzeugt. Funkamateure haben als erste Betroffene gegen PLC Presseerklärungen abgegeben, an Fernsehsendungen teilgenommen, Interviews gegeben (Computerbild, regionale Zeitungen) und die europäischen und deutschen Abgeordneten alarmiert. Der DARC hat das Problem auf der für Europa zuständigen EUROCOM (Arbeitsgruppe der europäischen Amateurfunkverbände innerhalb der IARU [International Amateur Radio Union]) und den IARU-Konferenzen den anderen Funkamateuren in Europa und der Welt nahegebracht und gemeinsam mit den europäischen Amateurfunkverbänden intensiviert. Erste Erfolge außerhalb von Europa zeigen sich in Neuseeland und in Australien durch eine deutliche Sensibilisierung der dortigen Funkamateure gegen diese kritischen technischen Entwicklungen.
Karl Erhard Vögele, DK9HU
Vorsitzender des DARC e.V.
vy 73 de Jochen Hindrichs, DL9KCX
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