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11. 03. 2005

Oberlandesgericht Köln bestätigt "Freenet-Urteil" gegen Funkamateur

Das Oberlandesgericht Köln hat im Februar 2005 die Beschwerde eines Funkamateurs gegen ein Urteil des Amtsgerichts Bonn verworfen.

Das Amtsgericht hatte den Funkamateur zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt, weil er im sog. "Freenet"-Bereich mit zu hoher Leistung gesendet hatte. Der Funkamateur hatte dies bestritten und angegeben, er habe lediglich mit einem Handfunkgerät mit einer Leistung von 300 Milliwatt gesendet. Das Gericht schenkte einem Mitarbeiter der RegTP mehr Glauben, der angab, er habe bei einer aus dem Messwagen durchgeführeten Feldstärkemessung Werte gemessen, die bei Geräten bis maximal 500 Milliwatt Ausgangsleistung nicht erreichbar seien.

Der Fall hat nach Auffassung des beteiligten Rechtswalts Michael Riedel besondere Bedeutung, weil er die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde geboten hätte. Der betroffene Funkamateur hat davon jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Rechtsanwalt Riedel hat zu dem Fall eine umfangreiche Pressemitteilung herausgegeben, die wir nachfolgend in vollem Wortlaut wiedergeben:

(Beginn des Zitats:)

Der erste Senat des Oberlandesgerichts Köln (8 Ss-Owi 126/04 - 3 /05 ­) hat durch Beschluss vom 15.02.2005 die Rechtsbeschwerde eines Funkamateurs gegen ein Urteil des Amtsgerichts Bonn verworfen.

Auszug aus den Gründen:

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen "wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 47 Abs. 1 TKG (alte Fassung)" zur Zahlung einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt.

Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene ist Amateurfunker. Er hat am 26.11.2003 und in unbestimmter Zeit vorher in A. im Frequenzbereich 149,025 MHz Funkstellen betrieben. Dieser Frequenzbereich ist dem Kurzstreckenfunk (Free-Net) zugewiesen. Auf diesen Frequenzen dürfen nur Geräte mit einer maximalen Sendeausgangsleistung von 500 mW betrieben werden. Der Betroffene hat jedoch mit einer deutlich höheren Leistung gesendet."

Zur Beweiswürdigung heißt es im amtsgerichtlichen Urteil:
"Der Betroffene lässt sich dahingehend ein, er habe lediglich mit einem Handfunkgerät in einer Leistungsstärke von 300 mW gesendet. Diese Einlassung ist widerlegt. Nach der Aussage des Zeugen S., der über 15­jährige Berufserfahrung verfügt und mit einem Messwagen mit dem Messgerät Miniloc 6900 A unterwegs war, konnte eine HUB-Überschreitung in Höhe von 5 KHz feststellen. Zugelassene Funkgeräte sind aber auf 2,5 KHz begrenzt. Der von ihm abgehörte Funkverkehr erwähnte mehrfach den Vornamen M. und gab Hinweise darauf, dass er aus A. stammt. Dies entspricht dem Vornamen und Wohnort des Betroffenen. Eine Einpeilung führte sodann als Ursprung der Aussendung zu einer Antenne auf dem Wohnhaus des Betroffenen. Die gemessene Feldstärke ist nach Bekundung des Zeugen S. bei Geräten bis maximal 500 mW Ausgangsleistung nicht erreichbar. Der Zeuge R. hatte am 24.01.2004 der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen beigewohnt. Er hat bekundet, dass der Betroffene nach entsprechender Belehrung die illegale Sendetätigkeit zugegeben habe. Keine der aufgefundenen sieben Funkanlagen, von denen vier errichtet und betriebsbereit gewesen seien, könne jedoch im legalen Bereich mit 500 mW senden. Der Betroffene habe anlässlich der Durchsuchung versucht, durch Unterlagen zu beweisen, dass sein Funkbetrieb insgesamt genehmigt sei.

Das Gericht hat keinen Anlass, an den Angaben dieser Zeugen zu zweifeln, die auch über den erforderlichen Sachverstand verfügen....."

Zur Bußgeldbemessung hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Er ist bereits in der Vergangenheit wegen eines gleichgelagerten Vorfalls mit einem Bußgeld belegt worden. Die Verhängung eines Bußgeldes von 200 Euro erscheint tat- und schuldangemessen."

 

Der Senat in der Besetzung mit einem Richter hat durch Beschluss vom 24.01.2005 die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch rechtsbedenkenfrei. Ihnen liegt eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde.

Im einzelnen gilt Folgendes:
Die Feststellungen belegen, dass der Betroffene eine Funkanlage auf der Frequenz 149,025 MHz mit einer über 500 mW liegenden Sendeausgangsleistung betrieben hat. Die Einlassung des Betroffenen, er habe lediglich mit einem Handfunkgerät in einer Leistungsstärke von 300 mW gesendet, hat das Amtsgericht mit rechtsfehlerfreien Erwägungen für widerlegt gehalten. Dass das Amtsgericht von der Zuverlässigkeit der aus dem Messwagen mit dem Messgerät Miniloc durchgeführten Feldstärkemessung ausgegangen ist, ist jedenfalls deshalb nicht zu beanstanden, weil - worauf sich das Amtsgericht neben dem vom Betroffenen gegenüber dem Zeugen R. abgegebenen Geständnis illegaler Sendetätigkeit in diesem Zusammenhang auch maßgeblich (rechtsfehlerfrei) stützt - mit keiner der bei der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen aufgefundenen sieben Funkanlagen "im legalen Bereich mit 500 mW" gesendet werden konnte.

Die rechtliche Wertung des Amtsgerichts hält der Überprüfung stand. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 10 TKG (alte Fassung, gültig bis zum 25.06.2004) handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Frequenzzuteilung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 TKG Frequenzen nutzt; § 47 Abs. 1 Satz 1 TKG (alte Fassung) bestimmt, dass es für jede Frequenznutzung einer vorherigen Zuteilung bedarf (Durch das seit dem 26.06.2004 geltende TKG 2004 hat sich dieser Ordnungswidrigkeitentatbestand inhaltlich im übrigen nicht geändert: § 149 Abs. 1 Nr. 10 TKG 2004 entspricht § 96 Abs. 1 Nr. 10 TKG a. F., nur dass er statt auf § 47 Abs. 1 Satz 1 auf § 55 Abs. 1 Satz 1 verweist. Letztere Vorschrift lautet: "Jede Frequenznutzung bedarf der vorherigen Frequenzzuteilung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes geregelt ist").

Im vorliegenden Fall hat der Betroffene die Frequenz 149,025 MHz ohne Frequenzzuteilung im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 10 TKG a. F. genutzt. Das ehemalige Bundesministerium für Post und Telekommunikation, dessen Aufgaben im hier in Rede stehenden Bereich von der "Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) wahrgenommen werden, hat in seinem Amtsblatt 23 vom 25.09.1996 die Verfügung Nr. 156/1996 "Vorläufige Allgemeinzuteilung von Frequenzen für den nichtöffentlichen mobilen Landfunk, Kurzstreckenfunk mit Handsprechfunkgeräten" veröffentlicht. Darin heißt es u. a.:
"1. Hiermit werden aufgrund § 47 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) die Frequenzen
a) 149,025 MHz, b) ...., c) .... für den Kurzstreckenfunk mit Handfunkanlagen unter den nachstehenden Bestimmungen für die Benutzung durch die Allgemeinheit vorläufig zugeteilt.
2. ....
3. Die Frequenzzuteilung gilt ausschließlich für eine Nutzung mit Handsprechfunkgeräten mit integrierter Antenne, die ...
4. Als Grenzwert der Äquivalenten Strahlungsleistung des Senders (ERP) wird 500 mW festgelegt."

Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 26.11.2003 bei seinem Funkbetrieb auf der Frequenz 149,025 MHz (sog. Free-Net) außerhalb des "legalen Bereichs" gesendet, nämlich den Grenzwert der maximal zulässigen Strahlungsleistung des Senders von 500 mW überschritten (Dieser Grenzwert gilt im Übrigen weiterhin, und zwar aufgrund der neuen Allgemeinzuteilung von Frequenzen im Free-Net durch die RegTP, vgl. Amtsblatt Nr. 25 vom 17.12.2003 - Verfügung Nr. 77/2003).

Aufgrund dieser Überschreitung hat der Betroffene eine Bedingung (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 TKG 2004), unter der die Allgemeinzulassung (Free-Net) erfolgt ist, nicht eingehalten. Er hat damit die Frequenz 149,025 MHz ohne Frequenzzuteilung genutzt. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde verstößt die Bußgeldvorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 10 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 TKG a. F. nicht gegen das Bestimmtheitsgebot i. S. v. Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG. Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass "Tragweite und Anwendungsbereich der Strafnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung gilt auch für Bußgeldtatbestände. Sie dient einem doppelten Zweck. Zum einen soll der Normadressat vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Zum anderen soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit oder Ahnbarkeit eines Verhaltens entscheidet (BGHSt 42,79 = NJW 1996, 1482 m. N.).

Diesen Grundsätzen entspricht die hier in Rede stehende Bußgeldvorschrift. Es liegt auf der Hand, dass eine Allgemeinzulassung von Frequenzen für Kurzstreckenfunk nur unter eng umgrenzten Bedingungen erfolgen kann. Von dem Nutzer dieser Frequenzen kann erwartet werden, dass er sich über die Bedingungen, unter denen eine solche Nutzung stattfinden darf, informiert, so wie sich z. B. der Inhaber einer Fahrerlaubnis darüber informieren muss, ob das Fahrzeug, das er führen will, in seine Fahrerlaubnisklasse fällt. Die Erkenntnis, dass eine Nutzung außerhalb dieser Bedingungen von der Allgemeinzulassung nicht mehr gedeckt ist, eine solche Nutzung mithin ohne Frequenzzuteilung im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 10 TKG a. F. erfolgt, muss sich jedem Nutzer aufdrängen. Das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten fällt damit unter den erkennbaren Wortsinn der Bußgeldvorschrift (vgl. zu diesem Erfordernis: Senat NJW 1993, 1216 = wistra 1993, 116; OLG Braunschweig NStZ - RR 2004, 52). Die Ahndung des Verhaltens des Betroffenen durch ein Bußgeld stellt daher auch keine Analogie zu Ungunsten des Betroffenen dar (vgI. zum Analogieverbot: OLG Braunschweig a.a.O.) Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Soweit das Amtsgericht zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigt hat, dass er "bereits in der Vergangenheit wegen eines gleichgelagerten Vorfalls mit einem Bußgeld belegt wurde", ist das Urteil allerdings materiell-rechtlich unvollständig. Die Angaben des Amtsgerichts ermöglichen schon nicht die Prüfung, ob die Vorbelastung noch verwertbar war oder ob schon Tilgungsreife eingetreten ist (wegen der erforderlichen Angaben im Urteil zu Vorbelastungen vgl. Senge in KK-OWiG, 2. Auflage, § 71 Rn. 109 m. N). Dieser Darlegungsmangel führt nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Vielmehr kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 79 Abs. 6 OWiG). Eine Geldbuße von 200 Euro ist auch ohne Berücksichtigung einer etwa noch verwertbaren Vorbelastung des Betroffenen tat- und schuldangemessen, zumal der Betroffene Free-Net Nutzer war, obwohl keines der bei ihm vorgefundenen Geräte für diesen Bereich zugelassen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.

mitgeteilt von: Rechtsanwalt Michael Riedel, Köln

 

Anmerkung:

Beiden Entscheidungen begegnen erhebliche Bedenken.

Beide Gerichte haben sich nicht in dem m.E. geboten Umfang damit auseinandergesetzt, dass ausweislich der Ermittlungsakte bei dem Betroffenen u.a. ein Handfunkgerät sichergestellt wurde, dass grundsätzlich mit einer Senderausgangsleistung von 300 mW und mit einem Frequenzhub von etwa 2,5 kHz betrieben werden kann.

Auch wurde sich nicht damit auseinandergesetzt bzw. erkannt, dass zwischen einem gemessenen Hub-Wert und der äquivalenten Strahlungsleistung kein physikalischer und damit kein rechtlicher Zusammenhang besteht. Auch spricht die gültige Allgemeinzuteilung von 12,5 kHz Bandbreite und nicht von einem Hub-Wert. Die rechtlichen Schlussfolgerungen sind daher nicht nachvollziehbar.

Insbesondere hätte es weiterer Aufklärung durch das Gericht bedurft, ob der lediglich mündlich benannte Hub-Wert von 5 kHz in rechtlich nicht zu beanstandener Art und Weise ermittelt und dokumentiert wurde. Dies ist m.E. schon deswegen geboten, um dem Grundsatz in dubio pro reo und der sich häufig ergebenen Aussage-gegen-Aussage-Problematik gerecht zu werden.

Auch sind die Ausführungen zum strafrechtlichen Analogieverbot bedenklich. Hiervon ist stets die Frage zu trennen, ob die Norm in verwaltungsrechtlicher Sicht entsprechend angewendet werden kann, wenn jemand gegen eine Nebenbestimmung der Allgemeinzuteilung verstößt.

Zu der (erhofften) Fortbildung des Rechts bzw. zur Ermöglichung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. § 80 Abs. 1 OWiG) werden beide Entscheidungen wohl kaum beitragen können. Gegen die Entscheidung steht die Verfassungsbeschwerde offen, wovon der Betroffene allerdings absieht.

Rechtsanwalt Michael Riedel, Köln

(Ende des Zitats)

- wolf -

 

Anmerkung: Die in der Internet-Version der Pressemitteilung enthaltenen Links wurden zum besseren Verständnis von der FUNKMAGAZIN-Redaktion mit Zustimmung des Autors eingefügt. Bitte beachtet, dass im vorliegenden Fall teilweise auf das alte TKG Bezug genommen wird, das am 25. Juni 2004 außer Kraft getreten ist.

 

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